3. März 2015

Angelkultur: das kleine A-bis-Z

Multikulti. Ein heiß diskutiertes Thema derzeit und ohne zu tief ins politische rutschen zu wollen, sage ich bloß, Kultur ist nicht nur Land oder Religion bezogen, sondern ergibt sich natürlich aus alle soziale Kollektiven, von Familienebene bis hin zu ganze Kontinente, und schließlich ist jede von uns durch ein einzigartige Konstallationen von Kulturen geprägt. Naja. So sehe ich die Welt zumindest.

Und das ist gut so, denn wie oft schon gesagt, wie langweilig wäre denn das Leben wenn wir alle gleich wären? Und dennoch regt man sich hin und wieder über anderen auf, oder ist einfach nur über die Sitten eines anderens ziemlich verblüfft. Als Engländer passiert mir das tagtäglich; sei es nun meine Freundin die das Glas Marmite nicht anfassen möchte oder das Bauchweh wenn ich bei Edeka satte 1,49€ für eine Dose Baked Beans ausgeben soll. Aber erfahrungsgemäß muss man sich nur ein bisschen schlau machen und schon kann man ein fremdes Verhalten ein wenig nachvollziehen - auch wenn nicht gleich für gut halten. Marmite zum Beispiel; Fakt ist, dass es viele Briten gibt, die das Zeug auch nicht leiden können!


Und in der Angelwelt ist es natürlich auch nicht anderes, selbst zwischen Anglergattungen gibt es Meinungsunterschiede. Mein Vater, ein leidenschaftlicher Fliegenfischer, war immer sehr amüsiert über meine endlose Karpfen- und vor allem Camping-Ausrüstung für die lange Wochenendansitze. Nicht verwunderlich dann, dass ich zwischen deutschen und britischen Angler schon einige kulturelle Unterschiede bisher feststellen konnte. Zuerst wollte ich bloß einpaar Beobachtungen auflisten, aber als die Liste immer länger wurde, habe ich die A bis Z Idee gehabt. Ich wollte sie am Anfang auch ohne Wertung beschreiben, habe mich dann doch hier und da ein wenig Humor und Ironie erlaubt - manchmal auf Kosten der Deutschen, aber um fair zu bleiben auch wieder mal auf Kosten der britischen Angler. Aber selbstverständlich nie böse gemeint!

Na dann, auf geht's...

Aal - In Deutschland angelt man gerne auf Aal.

Backbiter (a.k.a. Dropoff Bissnzeige) - in der Regel kennen deutsche Angler diese Art von Bissanzeige anscheinend nicht (einige schon, ich weiß, aber nicht viele), höchstens kennen sie die Fallbissanzeiger aus der Karpfen Welt, aber die sind eine andere Paar Schuhe. Und dabei sind Deutsche doch so begeisterte Raubfischangler (viel mehr als in GB, würde ich behaupten). Rätselhaft denn dass in GB das Dropoff als Grundausstattung gilt, wenn es um Hecht oder Zander geht. Aber ich müsste hierzulande welche basteln, weil ich sie bisher nicht zu kaufen gesehen habe.

Ein klassisches Dropoff (selbst gebastelt) - möchte viele Briten nicht vermissen! 

Catch & Release - in GB ein wertfreies Begriff, das meistens in Verbindung mit Salmoniden (sog. game fishing) verwendet wird. Dabei geht es auch meistens um den Schutz von gefährdeten Arten wie Lachs oder Meeresforelle. Ist also durchaus ein positives Begriff dass selten eine emotionale Diskussion auslöst. Aber in Deutschland... oha... Ein Begriff dass das Blut zum kochen bringen kann.

Commercial Fishery - Obwohl schon einmal "C" gehabt, möchte ich unbedingt die "Commercials" erwähnen. Die gibt es in GB für Forelle schon lange. Was für mich aber neu ist (sprich; in den letzten 20 Jahren passiert), sind die zahlreiche Friedfisch orientierte Tageskarte-Gewässer, wo man ohne viel Mühe eine nach dem anderen raus zieht. Ob man das mag, muss jeder für sich wissen. Grenzwertig könnte man aber meinen, wenn man weiß dass eine neue Fischart speziell dafür gezüchtet wurde - das F1 Hybrid . Ähnliche Gewässer gibt es in Deutschland natürlich auch (das sog. Angelteich bzw. Forellenpuff), dennoch ohne C&R, und somit eher wie die Forellenanlagen die ich von früher schon kenne.

Drop-Shot - ist gut für Barsch, erzählt der Engländer und glaubt damit das Thema wäre gegessen.

Eisangeln - in GB ungefähr so populär wie Eishockey. Eis ist nicht so unser Ding. Eher Regen.

Forellenangeln - in GB einen Synonym für Fliegenfischen. Wer auf Forelle mit Maden angelt (wenn's überhaupt am Gewässer erlaubt ist) wird am Kreuz lebendig verbrannt. Wurm und Spinner sind auch nicht gern gesehen, und erst recht nicht im Forellenpuff. Ich glaube das hat etwas mit Spatzen und Kanonen zu tun.

Gebrauchte Angelware - Wer in GB mit Angeln als Hobby durchstarten möchte, muss kein Vermögen für die Angelausrustung ausgeben. Ein Blick in die Kleinanzeigen oder natürlich auch eBay wird schnell was fruchten. Egal ob Karpfenangeln, Meeresangeln, Fliegenfischen, Friedfisch, Raubfisch oder Match es gibt jede Menge gute Angebote. In Deutschland, müsste ich lange suchen.

Typische deutsche Ebay-Anzeige - gewöhnungsbedürftig für Briten

Hegefischen - Der Brite schaudert wenn er von Hegefischen hört. Wir haben nicht mal ein Wort dafür.

Inch - merkwürdige Maßeinheit, ausgedacht von einer Nation, der schon immer gern gegen den Strom geschwommen ist. Eine System so kompliziert, dass es vielleicht der Grund ist, weshalb wir kein Lust haben, Fische nach Länge zu bewerten? (vgl. "Länge vs. Gewicht")

Jig - naja "J" ist ganz schon schwierig, was anderes fällt mir nicht ein. Auf alle Fälle kann ich sagen, dass ich noch nie so viele Jigköpfe an eine Stelle gesehen habe, als in jene deutschen Angelladen. Daher meine Annahme dass Raubfischangeln in Deutschland viel beleibter ist (relativ gesehen) als in GB wo Match- und Karpfenangeln vielleicht die Nase vorn haben?

Karpfenangeln - in GB gibt es Karpfenangler. In Deutschland gibt es... Fußballweltmeister. Spaß beiseite, ich merke dass, auch wenn hier schon sehr beliebt, bleibt Karpfenangeln in Deutschland irgendwie abseits und zieht einige Skepsis mit sich mit. In GB denkt keine zwei mal drüber nach. Man angelt gerne auf Karpfen oder eben nicht. Hier in Deutschland scheint es mir fast um die Frage zu drehen "auf welche Seite der Macht stehst du?". Vgl. auch "Jig".

Länge vs. Gewicht - in GB gilt ein 20 Pfund Karpfen mit 70cm besser als einen 72cm langem 19 Pfund Karpfen (denn 20 größer als 19). In Deutschland aber wäre der schlanke aber längere 72cm Fisch als das "größere" betrachtet (denn 72 größer als 70). Und das obwohl Rekorde (und Fischhändler) sich immer nach Gewicht orientieren.

Match-Angeln - gesetzlich bedingt, habt ihr natürlich kein Match-Angeln. Muss auch nicht sein meinetwegen, obwohl ich mit viel Freude an meinen Jugend zurück denke und die viele Matches in denen ich damals teilgenommen habe.

Nichts mit N - und ich dachte J sei schwierig gewesen. Stattdessen siehe "Teig".

Ohne O - oder lässt die Kreativität jetzt einfach nach?! Dafür gibt es "Teleskopruten".

Posen - in Deutschland groß und bunt und gerne 10cm in die Luft über der Wasseroberfläche. In GB, klein und schlicht, mit so wenig wie möglich sichtbar.

Quappe - Gibt's nicht bei uns, ich würd gerne mal eine fangen!

Raubfischsaison - in Deutschland lese ich immer "Sommer ist die beste Zeit für Raubfische", in GB denken nur wenig an Hecht und Zander bis die erste Blätter vom Baum gefallen sind.

Senknetz vs. Ladentheke - ich glaube für Senknetz haben die Brite auch kein Wort, was wahrscheinlich daran liegt dass man überall frische Fische kaufen kann und in jede Angelladen gibt es Tiefkühlköder zu kaufen. Aber für Livebait könnte es doch sehr nützlich sein. Vielleicht können wir euch einige Drop-Off Anzeiger exportieren, und ihr verkauft uns dafür Senknetze?!

Travelling Light - ob's nur daran liegt dass ich jetzt in die Stadt wohne wo man häufiger zu Fuß unterwegs ist weiß ich nicht. Es kommt mir trotzdem vor als würden Deutsche und Britische Angler (Karpfenangler ausgeschlossen) sich aneinander vorbeireden wenn es darum geht "mit wenig Gepäck" unterwegs zu sein. 



So sieht ein britische Friedfischangler aus, der behauptet er sei "travelling light" - ja, wir spinnen ein bischen!

Teig - ein beliebter Köder in Deutschland. Nun, wenn ich mich nicht irre heißt Teig auf Englisch 'dough' (ausgesprochen wie in DOnut). In 15 Jahre Angeln in England hatte ich kein einziges Mal dough als Köder verwendet und auch nie davon gehört!


Teleskopruten - in Deutschland Gang und Gebe, in GB oft verpönt. Ich wurde schon einmal so gut wie gesteinigt in einem deutschen Forum als ich unterstellen wollte das Teleskopruten nicht erst zu nehmen sind. Ja, zugegeben, ich habe es auf ein ziemlich ungeschickten Art und Weise geäußert, was eine peinliche Erinnerung für mich war, andere Kulturen zu respektieren!

Umweltschutz - zu diesem Punkt staune ich immer wieder. Die UK lebt hinter der Mond was Umweltfreundlichkeit angeht. Deutsche Angler diskutieren dagegen gerne über Themen wie Fischverbuttung, Gebrauch von zu viel Futter, Seen die kippen oder alle Jahre wieder "ob der See der Winter überstanden hat?" (ich finde gar nichts zu diese Themen in englischsprachigen Foren). Dafür sind die unsauberste Angelstellen die ich gesehen habe in Deutschland, Schonhaken sind eine Seltenheit, Abhakmatten werden nur für Karpfen verwendet, Rachensperre werden noch verkauft und Gewichte werden immer noch aus Blei hergestellt. Und wiederum sind rote Maden nicht erlaubt weil der Farbstoff als krebserregend gilt. Aber Blei nicht? Immerhin dürfen Fische nicht gehältert werden, währenddessen in GB freut sich jede über einen platzenden Setzkecher. 

Vielleicht ein anderes Mal - zu V fällt mir auch nichts ein, aber nach meiner leichte Aufregung über beide Nationen zu "Umweltschutz" vielleicht doch besser erstmal kurz runter zu kommen!

Weidgerechtigkeit - es ist meine persönliche Meinung, dass in Sachen Umwelt und Weidgerechtigkeit, sowohl Deutschland als auch Großbritannien noch einiges zu lernen haben (vgl. "Umweltschutz")

Zander - Was Karpfenangeln zu Deutschland ist, ist Zanderangeln zu Großbritannien! Wir haben in großen und ganzen überhaupt kein Plan von Zanderangeln (vgl. "Dropshot") was vielleicht daran liegt dass die meisten britische Angler nicht einmal ein Zander gesehen haben, nicht mal auf einem Teller im Restaurant (viele Briten würden das sogar als abartig empfinden). In Deutschland dagegen... zweifelsohne einer der beliebtesten, wenn nicht der beliebteste Zielfisch?!

Es gibt natürlich viel mehr worüber ich schreiben könnte, aber eine andere Zeit vielleicht. Ich finde es nur interessant zu sehen dass es teilweise wirklich enorm Unterschiede gibt.

Akzeptanz und Respekt

Oft stehe ich da und frage mich "Warum bloß?!", aber wie es eben so ist mit Kulturen, man sollte einen Schritt zurück nehmen und das große Bild anschauen. Ich glaube das schwierigste für mich bisher zu verstehen, war, dass es hierzulande normal ist, gefangene Fische zu töten. Inzwischen habe ich es akzeptiert, denn jetzt verstehe ich auch warum und weshalb. Gleichzeitig aber, genauso wie Deutsche sich nie vorstellen können Marmite zu essen, werde ich es mir auch nie vorstellen können geräucherte Schleie zu essen!

Ich glaube, dass die meisten Leute hängen, an das womit sie groß geworden sind. Wir können aufgeschlossen sein und versuchen uns gegebenenfalls an anderen anzupassen, aber komplett ändern können wir uns nicht. Und das sollen wir auch nicht müssen IMO.

Habt ihr auch ähnliche Beobachtungen gemacht? Oder könnte ich euch was neues über Angeln in die UK beibringen? Oder bist du nur entsetzt weil ich unberechtigte Blödsinn erzählt habe? Egal was, schreibt mir gerne ein Kommentar zum Thema.

In diesem Sinn. Tight lines!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Freue mich immer über eure Meinung